Jürgen Niermann Naturfotografie

Braunbärfotografie in Finnland

Im Juli 2018 besuchte ein Freund zwei finnische Anbieter für Fotoansitze – Martinselkonen und Lassi Rautainen, – um dort Braunbären zu fotografieren. Ich war von seiner Ausbeute sehr angetan und, da er dies bei anderen Anbietern wiederholen wollte, sind wir zusammen hingereist, diesmal aber schon im Juni. Etwas früher im Jahr, weil wir die Vorstellung hatten, bei dieser Gelegenheit auch noch nordische Eulen zu fotografieren, deren Brutzeit im Juli in der Regel schon zu Ende ist.
Um es vorweg zu nehmen, man hat während der Fotoansitze sehr viel Zeit, in der nichts passiert. Da die meisten Fotohütten recht komfortabel sind, hatte ich Gelegenheit, bereits direkt vor Ort meine Eindrücke detailliert festzuhalten. Dieser „Erlebnisbericht“ ist ziemlich ausführlich geraten. Ich fasse daher die dabei gewonnenen Erfahrungen vorab zusammen.

Zusammenfassung und allgemeine Informationen

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Soweit ersichtlich gibt es sechs Anbieter in Finnland, die die Gelegenheit zur Fotografie von Braunbären und eventuell anderen Beutegreifern kommerziell anbieten, alle in der Nähe der russischen Grenze. Neben den bereits erwähnten Martinselkonen und Lassi Rautainen gibt es noch Bear Kuusamo, Wild Brown Bear, Boreal Wildlife Centre und am südlichsten gelegen EräEero. Alle locken die Bären mit ausgelegtem Futter vor zumindest saisonal festinstallierte Fotohütten (Hides) unterschiedlicher Größen. Jeder hat mehrere unterschiedliche Standorte – „Swamp“ (Sumpf, Moor), „Pond“ (kleiner See) und „Forest“ (lichter Wald). Angeboten werden auch Unterkunft und Verpflegung.
Braunbär
Braunbär, Boreal Willife Centre, „Forest“

Wilde Bären direkt zu fotografieren, ohne diese gezielt anzulocken, dürfte in Europa kaum möglich sein. Laut Jarno, einem der Mitarbeiter bei Martinselkonen, hat er trotz vieler Aktivitäten in der Natur in seinem Leben außerhalb der Beobachtungsplätze höchsten vier bis fünf Bären gesehen.

Der Ablauf ist überall gleich. Man bezieht am späten Nachmittag die Hides und übernachtet darin. Schlafgelegenheiten sind vorhanden und Schlafsäcke werden gestellt. Außerdem bekommt man Getränke, Kekse und belegte Brote mit. Gegen 7:00 Uhr verlässt man seinen Hide wieder und holt nach dem Frühstück in der Unterkunft meist noch etwas Schlaf nach. Eine Stunde vor dem Beziehen der Hides gibt es eine warme Mahlzeit.
Bei allen Anbietern haben die Hides Öffnungen für Objektive, über oder neben denen sich verspiegelte Glasscheiben befinden. Darunter sind Bretter angebracht, auf denen man mitgebrachte Neiger oder Kugelköpfe entweder direkt oder auf schweren Metallplatten mit 3/8‘‘-Schrauben montieren kann. Auch waren in jedem Hide Bohnensäcke vorhanden. Ein Stativ braucht man nicht und könnte es in der Regel auch nicht aufstellen.

Wenn man Bären im Sommer fotografieren will, ist zu berücksichtigen, dass in Finnland erst Ende Juni die Paarungszeit endgültig vorbei ist. Bis dahin wandern die erwachsenen Männchen hinter den Weibchen her, was Einfluss darauf haben mag, wie viele Bären sich an den einzelnen Futterplätzen zeigen. Deren Anzahl ist sicher am größten, wenn wirklich alle nur noch ans Fressen denken.

Bei der Auswahl der Anbieter hatten wir den nördlichsten und den südlichsten gar nicht erst in Betracht gezogen. Auch wenn mein Freund mit Lassi Rautainen im letzten Jahr sehr zufrieden war, wollte er außer zu für ihn neuen Stellen unbedingt nur noch einmal zu Martinselkonen, weil vor allem dort die Chance auf Weibchen mit kleinen Jungen besteht. Bei Lassi Rautainen zeigten sich im Vorjahr vor allem erwachsene Männchen.
Wir haben uns daher für das Boreal Wildlife Centre, Wild Brown Bear und Martinselkonen entschieden.

Ein knappes halbes Jahr vor der Reise haben wir per eMail bzw. Webformular entsprechende Buchungsanfragen gestellt. Das Boreal Wildlife Centre und Martinselkonen haben eine gemeinsame Buchungsstelle, die für beide geantwortet und unsere Anfragen koordiniert hat. Dies war sehr hilfreich, denn Martinselkonen war zu dem vorgesehenen Zeitraum schon ziemlich ausgebucht. Ari Saaski von Wild Brown Bear hat uns auch nach den gewünschten Hides gefragt bzw. bestimmte Hides – jeweils in einem anderen Teil des Gebiets – vorgeschlagen. Dies haben wir so akzeptiert und die Hide-Nummern wurden mit in die Buchungsbestätigung aufgenommen. Bei den beiden anderen Anbietern wurde nur die Hide-Kategorie festgelegt. Die konkrete Zuweisung erfolgte dann teilweise nach den Möglichkeiten und unseren Wünschen vor Ort.
Alle Anbieter organisieren auch Transfers von und zum Flughafen oder zu anderen Orten. Bei zwei Personen war ein Mietwagen jedoch deutlich preiswerter.

Boreal Wildlife Centre

Vielfraß
Vielfraß, Boreal Willife Centre, „Swamp“
Das BWC macht von den dreien den am wenigsten kommerzialisierten Eindruck. Der Inhaber Kari Kemppainen hat vor 11 Jahren damit angefangen. Wenn er sich nicht um Gäste kümmern muss, filmt er u.a. auch für das finnische Fernsehen. Es war zum Zeitpunkt unseres Aufenthalts nicht ausgebucht. Sowohl Hides als auch Unterkünfte waren noch frei. Die Unterkunft selbst liegt ca. 2 km von der russischen Grenze entfernt. Es gibt vier Standorte – „Swamp“, „Forest“, „Pond“ und „Gorge“ (Schlucht). „Pond“ und „Gorge“ werden erst später in der Saison betrieben. Die Hides an „Forest“ und „Swamp“ liegen zwischen 4 und 5 km bzw. zehn Fahrminuten von der Unterkunft entfernt, beide schon innerhalb der nur beschränkt zugänglichen Grenzzone zu Russland. Am „Swamp“ befanden sich während unseres Aufenthalts ein Zwei-Personen-Hide, ein sehr komfortabler Zwölf-Personen-Hide und zwei Einzel-Hides, letztere auch mit bodennahen Objektivöffnungen. Am „Forest“ befanden sich drei sehr komfortable Hides für zwei bis vier Personen. Beide Standorte sind ca. 1 km voneinander entfernt. Vom Fahrzeug muss man jeweils nur ca. 100 m zu den Hides laufen. Diese werden nach dem Ende der Saison immer etwas versetzt, damit sich die von den Bären niedergetrampelte Vegetation erholen kann und im nächsten Jahr wieder eine „natürliche Umgebung“ um die Fotoverstecke zur Verfügung steht. Als Lockmittel verwendet das BWC Hundefutter-Pellets und Fischabfälle. Außer den Bären, die relativ nah an die Hides kommen, bestehen noch gute Chancen auf Vielfraße. Die Sichtung von Wölfen ist möglich.

Wild Brown Bear

Das Geschäft vor Ort wird ausschließlich mit Angestellten betrieben. Das Gelände liegt nur 1 bis 1,5 km von der russischen Grenze entfernt, aber nicht ganz so abgelegen. In 2,5 km Entfernung gibt es einen Grenzübergang. Während unseres Aufenthalts waren noch einige wenige Hides frei, die Unterkünfte aber ausgebucht. Der Anbieter ist dabei, die Unterkunftsmöglichkeiten zu erweitern. Dies gilt wohl auch für die Anzahl der Hides, von denen es mindestens 26 gibt. Das Beobachtungsgelände liegt nur 500 m von der Unterkunft, dem Bear Centre, entfernt. D.h. man geht zu Fuß dorthin, also ca. 500 m bis zum ersten und höchstens 1,2 km bis zum letzten Hide. Nur beim ersten Mal sind wir von einem Mitarbeiter zum Hide begleitet worden, die Rückkehr erfolgte immer selbständig. Die Hides sind fest installiert und in Gruppen über das Gelände verteilt, so dass man auch hier verschiedene Landschaftsformen hat, offenere feuchte Flächen, Seeufer oder auch Wald. Diese Umgebung ist durchaus ansprechend und es gibt kaum zertrampelte Flächen.
Gefüttert werden (gepresste) Fleischabfälle, die mit „Holzdeckeln“ abgedeckt werden. Anders als bei den anderen Anbietern waren Möwen und Rabenvögel, die davon profitieren wollten, nur in ganz geringer Zahl vor Ort.
Hides
Hides, Wild Brown Bear

Die Inhaber haben in 2016 ein Buch herausgegeben, „Photographing Wild Brown Bear in Finland“, ISBN 978-952-93-7243-0, das 431 teils sehr beeindruckende Fotos von Bären enthält, die alle auf dem Gelände gemacht worden sind. Dazu gibt es detaillierte Beschreibungen über die Fotobedingungen in den einzelnen Hides usw. Diese Inhalte einschließlich vieler der Bilder finden sich auch aktualisiert auf der Internetseite. Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass die Fotos im Buch von 31 verschiedenen Fotografen stammen und wohl über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren entstanden sein dürften. Laut Anbieter besuchen in jeder Saison 20 bis 30 Bären das Gelände, sowie 1 bis 4 Vielfraße und ein- bis zweimal pro Woche ein örtliches Wolfsrudel.

Unsere aus dem umfangreichen Internetauftritt und auch Vorerfahrungen mit anderen Anbietern resultierende Erwartungshaltung wurde leider enttäuscht. Bei vier Ansitzen haben wir dreimal einen Bären gesehen, wahrscheinlich zwei verschiedene Individuen, teils in sehr großer Entfernung, immer sehr spät, zweimal einen Vielfraß, auch in sehr großer Entfernung und nur für einen kurzen Moment.
Wir haben uns gefragt, warum die Häufigkeit der Tierbeobachtungen und Möglichkeiten zur Fotografie während unseres Aufenthalts beim WBB so viel schlechter war als bei den anderen Anbietern. Während unseres Aufenthalts wurden nicht nur im unmittelbaren Bereich der Unterkunft Bauarbeiten durchgeführt, auch die Hides selbst wurden tagsüber renoviert bzw. es wurden neue errichtet. Die Tiere könnten vergrämt oder zumindest zu einem sehr viel heimlicheren Verhalten veranlasst worden sein. Ich habe das vor Ort angesprochen und nachher noch mal per eMail an den Inhaber Ari Saaski thematisiert. In der Stellungnahme wurde eine Beeinträchtigung durch die Bauarbeiten in Abrede gestellt, die im Bereich der Hides immer spätestens um 15:00 Uhr geendet hätten. Mit jeder anderen Antwort hätte der Anbieter auch ein nicht vertragsgemäßes Verhalten eingeräumt, aber so muss man wohl daraus schließen, dass vielleicht wegen weniger Futtergaben, mehr Besuchern o.ä. einfach grundsätzlich weniger Tiere dort angelockt werden.

Martinselkonen

Braunbären
Braunbären, Martinselkonen, „Forest“
Es handelt sich um einen Familienbetrieb mit engagierten Mitarbeitern, der seit 1991 im Geschäft ist. Hier gab es die weitaus meisten Bären zu sehen. Allerdings ist die Anzahl so hoch, dass es keine Chance auf Wölfe gibt und auch Vielfraße erscheinen fast nie. Dafür sieht man die Bären praktisch garantiert und diese sind äußerst entspannt. Nicht umsonst ist hier um fast alle Hides ein niedriger Elektroweidezaun gespannt und die Fenster und Objektivöffnungen werden bei Nichtbenutzung durch Metallklappen gesichert. Wie bereits erwähnt, bestehen gute Chancen auf Bärinnen mit kleinen, diesjährigen Jungen. Es gibt drei verschiedene Standorte – „Swamp“, „Pond“ und „Forest“. Alle liegen in einem sehr abgelegenen Gebiet, das von drei Seiten von russischem Territorium umgeben ist. Nach der Fahrt dorthin muss man noch 0,6 km bis 1,5 km zu Fuß zu den Hides gehen. Die Beobachtungssaison geht von April bis zum 10. August. Danach wird die Fütterung eingestellt, weil zehn Tage später in Finnland die Jagdsaison beginnt und die Bären sich wieder über die Grenze zurückziehen sollen. Zumindest am „Swamp“ werden die Hides nach der Saison versetzt, damit sich die von den Bären zertrampelte Vegetation erholen kann.

Wer jetzt noch wissen möchte, wie die Reise im Einzelnen abgelaufen ist und welche Fotomöglichkeiten sich während der Ansitze ergeben haben, lese bitte den nachfolgenden

„Erlebnisbericht“

11.06.2019 Um 17:10 Uhr pünktliche Ankunft am Flughafen Kajaani. Außentemperatur ca. 12 °C, bedeckt. Die Vertreterin des Mietwagenverleihers Hertz wartet schon. Wir sind offensichtlich die einzigen Kunden. Ca. 8 km Fahrt zum Hotel Scandic Kajanus. Das Zimmer ist gut geheizt, sauber, ordentlich. Das Hotel ist nicht stark belegt. Nach einem Blick auf die Speisekarte und die dort aufgerufenen Preise entscheiden wir uns, wenige hundert Meter in den Ort zu gehen und nach weiteren Essensmöglichkeiten Ausschau zu halten. Wir gehen in einen türkischen Schnellimbiss. Die Speisekarte nur in Finnisch lässt nicht mal erraten, was die einzelnen Angebote wohl bedeuten, aber wir kommen zurecht.
12.06.2019 Während einer ruhigen Nacht ist der Himmel aufgeklart und die Sonne scheint, 8 °C. Ordentliches Frühstück im Hotel. Um 9:00 Uhr starten wir zum ca. 170 km entfernten Boreal Wildlife Centre. Unterwegs läuft ein Fuchs über die Straße und schaut uns zunächst interessiert an. Er ist aber dann doch zu scheu, um auf das Bereitmachen der Fotoausrüstungen zu warten. Zwanzig Minuten später stehen zwei Waldrentiere neben der Straße, die diese überqueren und sich schnell davonmachen.
Kurz vor Mittag erreichen wir unser Ziel. Mit Kari, dem Inhaber, besprechen wir welche Hides wir am Nachmittag beziehen werden und können aufs Zimmer. Bei der Ankunft sah man schon einen Unglückshäher, aber alle Vögel auf dem Gelände erweisen sich als scheu und dulden keine Annäherung.
15:00 Uhr gibt es ein warmes Essen, keine kulinarische Erleuchtung, aber es schmeckt. Um 16:00 Uhr werden wir zusammen mit anderen Gästen ca. zehn Minuten zu den Hides am „Swamp“ gefahren. Wir haben uns für den „Small Hide“ für zwei Personen entschieden, nebenan sitzen fünf Fotografen im „Big Hide“ für zehn Personen, die beiden Einzelhides bleiben unbesetzt.
Unserer hat den schöneren Vordergrund – noch nicht so zertrampelt. Es gibt vier Objektivtunnel vorn und jeweils einen an der Seite. Im Inneren befindet sich ein „Bett“ für einen Schläfer, mehrere Schlafsäcke, ein Stuhl und ein Eimer mit Deckel – fürs kleine Geschäft. Der Hide ist nach Süden ausgerichtet.
Es ist heiter bis sonnig, 9 °C. Während wir uns einrichten, verteilt Kari Fischabfälle und Hundefutter in ca. 30 bis 50 m Entfernung, dicht vor den Hides liegt auch noch welches. Das Futter für die Bären wird mit Zweigen abgedeckt, ein Teil offen verteilt. Denn sofort erscheinen Lachmöwen, Sturmmöwen, Heringsmöwen und Kolkraben in großer Zahl und stürzen sich auf ihren Anteil. Sie sollen nicht warten bis ein Bär kommt, der das Futter aufdeckt und dann stören.
Braunbären
Vielfraß, Boreal Willife Centre, „Forest“

Auch ein Seeadler greift sich einen halben Fisch und lässt sich in größerer Entfernung damit nieder. Nach einer Viertelstunde gibt es einen zweiten Anflug, den wir aber wieder zu spät bemerken. Die Möwen und Raben haben nach einer halben Stunde das Gelände weitgehend verlassen. Sie kommen aber in Schüben mehrmals zurück. In der Entfernung sitzen zwei Seeadler längere Zeit auf einem Baum und fliegen ein paar Platzrunden, ohne sich jedoch auf den Boden zu setzen. Gegen 19:00 Uhr erfolgt noch ein – diesmal vorhersehbarer – Anflug. In der Nacht zuvor sollen hier am „Swamp“ neben den Bären, Vielfraße und Wölfe erschienen sein. Diesmal kommt gegen 20:45 Uhr bei bestem Licht nur ein jüngerer, vielleicht dreijähriger Bär. Er kommt am späten Abend noch einmal und ist jedes Mal nervös, bleibt nur kurz und läuft am Ende seines Besuchs sehr schnell weg, warum bleibt unklar. Sonnenuntergang ist um 23:24 Uhr, aber die Sonne ist gegen 22:00 Uhr bereits hinter den Bäumen verschwunden und nur der mehrere hundert Meter entfernte Waldrand ist noch beleuchtet. Um 23:45 Uhr decken wir uns mit den vorhandenen Schlafsäcken zu und schlafen – mehr oder weniger – vielleicht drei Stunden.
13.06.2019 Sonnenaufgang ist um 2:28 Uhr. Der Jungbär kommt um 3:45 Uhr zurück und frisst die allerletzten Futterreste. Nach fünfzehn Minuten ist sein Auftritt vorbei. Gegen 7:00 Uhr werden wir wieder abgeholt.

Um 16:30 Uhr fahren wir knapp zehn Minuten zum „Forest“, einem lichten Stück Wald, vielleicht etwas weniger dicht als der auch nicht besonders dichte finnische Wirtschaftswald, den wir sonst überall gesehen haben. Auch hier ist in der Nacht nur ein Bär gesehen worden. Laut Kari könnten die schwachen Sichtungen damit zu tun haben, dass „sehr viele“ Autos unterwegs gewesen seien mit Leuten, die vielleicht auf diese Weise einen Bären haben sehen wollen. Auf Fahrzeuge sollen die Bären recht empfindlich reagieren.
Jedenfalls ist Kari schon vor Ort und hat Futter platziert. Es gibt vier Hides. Wir beziehen zu zweit einen für vier Personen, nebenan ein italienisches Paar ebenfalls in einem Vier-Personen-Hide. Es ist heiter, ca. 21 °C im Hide. Um 17:30 Uhr erscheinen die ersten beiden Bären, eine Mutter mit einem großen Jungen, die sich ungerührt vor den Hütten über das ausgelegte Futter hermachen. Nach zehn Minuten verschwinden sie wieder. Zehn Minuten später ein weiterer Bär, ebenfalls ein Jungtier von der Größe des vorhergehenden. Dieses ist aber scheu und hält größeren Abstand. Überraschenderweise erscheinen auch hier ein paar Lachmöwen, die nach Futter suchen.
Insgesamt sehen wir in dieser Nacht bei verschiedenen Gelegenheiten sieben verschiedene Bären, die Mutter mit drei großen Jungtieren, ein jüngerer Bär und zwei vollausgewachsene Männchen. Den zeitlich längsten Auftritt hatte die Bärin mit ihren Jungen um Mitternacht, nach Sonnenuntergang um 23:27 Uhr.
14.06.2019 Um 2:29 Uhr geht die Sonne wieder auf, klarer Himmel, 15 °C im Hide. Gegen 3:45 Uhr werden wir – dank der Auslösegeräusche aus dem Nachbarhide – auf zwei Vielfraße aufmerksam, die teilweise direkt vor den Hides nach Futter suchen. Die Lichtverhältnisse und Verschlusszeiten sind akzeptabel, aber die Tiere sind viel in Bewegung und oft verschwindet der Körper weitgehend im umgebenden Blaubeergesträuch. Nach zwanzig Minuten flüchten sie vor einem herannahenden großen Bärenmännchen, das aber nur kurz verweilt. Gegen 6:00 Uhr kommt noch mal ein jüngerer Bär für ein paar Minuten. Auch er findet noch ein paar Futterreste und ein an einem Baum angenageltes Fischstück.
Trotz einer Entfernung von manchmal nur zehn Metern haben sich weder die Bären noch die Vielfraße durch unsere Auslösegeräusche oder das Schwenken der Objektive irgendwie stören lassen.

Am „Swamp“ ist in dieser Nacht nur ein einziger Bär aufgetaucht, aber trotzdem haben wir uns nachmittags wieder für denselben Hide dort entschieden. Es ist sonnig, 23 °C Außentemperatur, innen 30 °C. Zunächst wieder die „Fütterung“ der Möwen und Kolkraben. Der Seeadler sitzt auch auf seinem Stammplatz, holt sich einen Fischkopf und setzt sich in ein paar Hundert Metern Entfernung auf den Boden. Er kommt aber bald zurück und fliegt ein paar Platzrunden. Wenigstens einmal fliegt er recht nahe am Hide vorbei und der Fokus sitzt! Leider kommt das Licht sehr von der Seite, so dass die Beleuchtung nicht optimal ist.
Dann passiert erstmal für längere Zeit nichts. Gegen 21:00 Uhr läuft ein Bär in größerer Entfernung am Waldrand entlang, kommt aber nicht näher. Nach einer weiteren halben Stunde läuft ein kleiner Bär gefolgt von einem großen ebenfalls am Waldrand entlang, beide verschwinden im Wald. Gegen 23:00 Uhr beschließen wir uns hinzulegen, da die Lichtverhältnisse eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang schwach sind. Die große offene Moorfläche vor uns ist ohnehin seit einer Stunde von den hinter uns stehenden Bäumen beschattet.
Zum Sonnenuntergang machen uns schmatzende Geräusche auf die Gegenwart zweier Bären aufmerksam. Es ist die Bärenmutter mit einem der großen Jungen, die wir gestern schon gesehen haben. Trotz bescheidener Lichtwerte machen wir ein paar Aufnahmen. Dann legen wir uns wieder hin, der „Wecker“ ist auf drei Uhr gestellt, Sonnenaufgang ist um 2:25 Uhr.
15.06.2019
Braunbären
Braunbären, Boreal Willife Centre, „Swamp“
Um 3:00 Uhr sind wir wieder wach, rechtzeitig, denn eine Viertelstunde später erscheint ein Bärenpaar, dasselbe wohl, das wir schon am Abend in größerer Entfernung gesehen hatten. Die Bärin macht sich über das ausgelegte Futter her. Der Größenunterschied ist überdeutlich. Sie ist eher klein, möglicherweise handelt es sich um ein gerade erst geschlechtsreif gewordenes Weibchen. Das Männchen ist hingegen ein richtiger „Brocken“. Er hat kein Interesse am Futter und geht schnurstracks zu ihr. Es kommt mehrfach zur Paarung, die ca. 40 m vor unserem Hide stattfindet. Gegen 4:00 Uhr reicht es ihr dann und sie geht zügig weg. Der Bär gönnt sich nun auch ein paar Futterbrocken, folgt ihr aber fünf Minuten später. Die Lichtverhältnisse hatten sich dabei ständig verbessert, auch wenn das Geschehen noch auf dem beschatteten Bereich des Moors stattgefunden hat. Die Bären haben inzwischen eine „Futterstelle“ für die Möwen geöffnet, die dann auch häufiger durchs Bild geflogen sind.
Um 4:30 Uhr erscheint ein Vielfraß. Es agiert vor unserem Hide in einer Entfernung zwischen zehn und dreißig Metern, läuft hin und her und gräbt auch etwas im Boden aus. Bereits nach fünf Minuten verschwindet das Tier wieder an der Stelle im Wald, von der es gekommen ist.
Um 7:00 Uhr werden wir wieder abgeholt. Die Nutzer des „Forest“ haben mehrere Bären und zwei Vielfraße gesehen.

Nach dem Frühstück fahren wir um 9:00 Uhr zum nur 34 km Luftlinie, aber 67 Straßenkilometer entfernten Wild Brown Bear (Bear Centre). Unterwegs sehen wir zwei Birkhähne und ein wildes Waldrentier auf der Straße. Wir machen die Kameras klar, aber das Rentier ist sehr scheu und verschwindet im Wald.
Im Bear Centre können wir um 11:00 Uhr unser Zimmer beziehen, etwas älter und etwas enger als unsere erste Unterkunft.
Warmes Essen gibt es um 16:00 Uhr, zu den Hides geht es um 17:00 Uhr nach einer Beamerpräsentation für Erstbesucher über die Verhaltensmaßregeln. Wir gehen – dieses eine Mal – in Begleitung eines Mitarbeiters zu Fuß über eine Erdstraße und Bohlenwege. Es ist überwiegend sonnig und angenehm warm.
Nach knapp zehn Minuten erreichen wir Hide Nr. 5, einer von neun direkt an einem kleinen See gelegen. Er liegt knapp 900 m Luftlinie von der Unterkunft entfernt und ist für zwei Personen ausgelegt. Es gibt vier Objektivöffnungen. Man sitzt auf Campingstühlen mit Lehnen und Sitzpolstern einigermaßen bequem. Die Beine kann man nach vorne ausstrecken. Auf der Hinterseite befindet sich ein Stockbett und ein Toiletteneimer – mit Klobrille – ist auch vorhanden. Die Temperatur im Hide beträgt ca. 25 °C.
Das uns gegenüberliegende Ufer ist nur zwanzig Meter entfernt. Eine kleine Schlammbank bietet Lachmöwen und Sturmmöwen eine Sitzgelegenheit. Kurz nach unserer Ankunft erscheint eine Schellente, die auf dem See mit der Nahrungssuche beginnt, etwas später eine Knäkente. Wir sehen Nebelkrähen, die sich in ca. zwei Meter Höhe an der Rückseite verschiedener Bäume zu schaffen machen. Offensichtlich ist „Bärenfutter“ dort angenagelt, aber Bären lassen sich nicht blicken.
16.06.2019 Um 2:30 Uhr läuft – unfotografierbar – ein Fuchs vorbei. Die Enten fliegen regelmäßig weg und kommen zurück. Morgens fliegen noch zwei Gänsesägerweibchen ein. Allerdings ist der Hide nach Osten ausgerichtet. Am Vorabend hatten wir damit schönstes Licht von hinten, nun am Morgen sehr starkes Gegenlicht.
Um 7:00 Uhr sollen wir den Hide verlassen und selbständig zur Lodge zurückgehen, was wir auch gern tun, denn insgesamt war die Nacht doch etwas enttäuschend.
Auf dem Rückweg fällt uns im Wald nur 50 m von der Lodge entfernt der Hide zur Vogelfotografie auf, der auch auf der Webseite beschrieben wird. Die Eingangstür ist defekt, aber er wäre durchaus benutzbar. Direkt davor befindet sich eine kleine Holzplattform, auf der jemand – wohl auf Intitiative eines anderen Gastes – morgens etwas Körnerfutter ausgelegt hat. Daneben sind auch ein paar „natürliche“ Sitzgelegenheiten montiert. Auf Nachfrage an der Rezeption sollen wir möglichst sofort nach dem Frühstück dort hingehen. Es erscheinen ein paar Eichhörnchen, ein Buntspecht, einige Dompfaffe und ein Grünfink. Die Lichtverhältnisse sind von der Lichtrichtung her jedoch derart schlecht, dass wir das schnell wieder aufgeben. Um 14:00 Uhr sind sie viel besser, aber das Futter ist verbraucht und der Platz verwaist.

Um 17:00 Uhr gehen wir diesmal selbständig zu Hide Nr. 23, den wir nach knapp einer Viertelstunde erreichen. Er ist wie Nr. 5 ausgestattet, nur etwas tiefer und damit noch etwas bequemer. Eine bodennahe Öffnung gibt es auch – für die bessere Perspektive, falls tatsächlich einmal ein Tier ganz nahekommen sollte. Nr. 23 steht in einer Reihe mit 5 weiteren Hides – einer davon noch im Bau – ca. 25 m vom Ufer eines kleineren Moorsees entfernt. Die Hides sind damit von allen am weitesten von der Unterkunft entfernt. Sie sind alle nach Norden ausgerichtet, so dass mit längerer Verweildauer das Gegenlicht weiter zunimmt. Nach ganztägiger Bestrahlung durch die Sonne herrschen auch hier wieder fast 30 °C im Inneren.
Um 19:36 Uhr erscheint am anderen Ufer in ca. 70 m Entfernung ein Vielfraß, der nach einer Minute wieder im dahinterliegenden Wald verschwindet. Gelegentlich fliegt eine Schellente ein oder ein paar Möwen, aber alles in viel zu großer Entfernung.
17.06.2019
Braunbären
Bär untersucht „Futterdeckel“, Wild Brown Bear
Genau eine Minute nach Mitternacht erscheint ebenfalls am anderen Ufer ein auffällig durchgängig hell gefärbter junger Bär. Er legt eine Art „Holzdeckel“ um, greift sich ein Stück „Fleisch“, das er aber wieder fallen lässt. Etwas hektisch geht er vielleicht dreißig Meter weiter und öffnet den nächsten Deckel, dieser scheint leer zu sein. Das wiederholt sich mit einem dritten. Nach insgesamt nur wenigen Minuten läuft er schnell in der zuvor eingeschlagenen Richtung davon.
Nach einer Dreiviertelstunde ist er plötzlich wieder da, sucht und findet das vorher fallen gelassene Fleischstück. Er richtet sich an einem Baum sogar auf, so dass wir es trotz der großen Entfernung gut erkennen können. Nach zwei Minuten ist er wieder im Wald verschwunden. Kaum ist er weg, inspiziert eine Möwe die nun offenen Kisten.
Nachdem wir nun wissen, wonach wir suchen müssen, schauen wir mit dem Fernglas, ob auch auf unserer Seite des Sees solche „Futterdeckel“ vorhanden sind. Tatsächlich können wir zwei nahe am Ufer ausmachen.
Gegen 2:30 Uhr ist dann tatsächlich noch ein Wolf zu sehen. Er kommt von der Seite her auf die Hides zu, dreht dann aber wieder ab, bevor er wirklich nahe herangekommen ist – nicht ganz so enttäuschend, denn er trägt einen auffälligen Sender mit einem gelben Halsband. Das war‘s dann, wir gehen um 7:00 Uhr wieder zur Unterkunft zurück.

Mittags hat es sich bewölkt und etwas geregnet. Danach scheint schnell wieder die Sonne. Bereits kurz nach 17:00 Uhr sind wir in Hide Nr. 19 angekommen. Er ist enger als die bisher benutzten, dafür sitzen wir sehr bequem auf Bürodrehstühlen.
Der Hide liegt zusammen in einer Reihe von drei weiteren der Unterkunft am nächsten. Er ist nach Westen ausgerichtet. Vor ihm liegt ein kleiner See in ca. 25 m Entfernung. Auf dem Uferstreifen entdecken wir insgesamt drei Futterdeckel, davon einen in nur wenigen Metern Entfernung. Die Vegetation sieht so aus, als wenn dort öfter mal ein Bär entlangliefe. Ein paar Möwen und Nebelkrähen kommen auch vorbei, um die Umgebung zu inspizieren. Schließlich fällt uns noch ein großer Kothaufen auf, der nicht sehr alt sein kann. Sollte ein Bär kommen, käme er aus dem Wald von der Seite und wir hätten keine Möglichkeit, ihn frühzeitig zu bemerken. Zu Beginn unserer Sitzung herrscht hier noch eine Innentemperatur von 31 °C (am Ende 19 °C), allerdings sorgt aufkommender Wind bei wechselnder, überwiegend stärkerer Bewölkung für eine deutliche Abkühlung. In der Nacht hat es noch dreimal ganz leicht geregnet.
Es ist sehr still. Außer den – wie auch schon in den vergangenen Nächten – häufigen und durchdringenden Rufen eines Kuckucks, dem Trillern eines Grünschenkels und dem eher leisen Gesang anderer Vögel hört man kaum etwas. Aus der Entfernung – schwer einzuschätzen aus welcher Richtung – kommen aber auch später abends noch Geräusche, die von einer Baumaschine oder dem Be- und Entladen eines Lkw stammen könnten. Auf dem Gelände der Unterkunft haben heute nach dem Wochenende wieder Bauarbeiten begonnen, die aber am Nachmittag geendet haben. Eindeutig sind jedenfalls einige schwere Fahrzeuge auszumachen, die wohl über die 2,5 km entfernte Hauptstraße fahren.
18.06.2019 Das einzige Tier, dass sich in dieser Nacht unserem Hide sichtbar nähert, ist ein Schneehase. Er dreht beim Schwenken eines unserer Teleobjektive aber schon wieder ab. Angesichts dieser wiederholt enttäuschenden Situation – und auch sicher nicht ganz im Sinne unserer Gastgeber – können wir uns nicht verkneifen, beim Verlassen des Hides kurz mal unter die drei Futterdeckel zu schauen. Dabei handelt es sich um würfelförmige Holzbehälter mit einer Kantenlänge von ca. 25 bis 30 cm, die an deren offener Seite mit einem entsprechend großen Kragen versehen sind. Auch unsere Deckel waren mit einer zusammengepressten Fleischmasse, wahrscheinlich Hundefutter, gefüllt. Selbst große Vögel können sie nicht umdrehen, um an den Inhalt zu gelangen, für Säugetiere ab der Größe eines Fuchses sollte das kein Problem sein. Auf dem Rückweg kommt uns um 7:05 Uhr bereits ein kleiner Traktor entgegen, der Baumaterial für die Hides transportiert. Der Fahrer trägt einen Gehörschutz(!).
Der in der Nacht gehörte Lärm und die Bauarbeiten auf dem Beobachtungsgelände tragen sicher nicht zu einem „entspannten Aufenthalt“ für die örtliche Bärenpopulation bei. Aber immerhin, an einer anderen Stelle ist in dieser Nacht ein größerer Bär und ein Vielfraß mit drei Jungen gesichtet worden.
An diesem Tag wird uns auch deutlich, warum an der Rezeption eine Schale mit Gehörschutzstopfen ausliegt. Wir sind am arbeitsfreien Wochenende angekommen, gestern hielt sich das auch noch in Grenzen, aber jetzt werden Fundamente für neue Unterkünfte gelegt und eine Baumaschine fährt hin- und her. Zum Glück für uns finden die Arbeiten auf der anderen Seite unserer Unterkunft statt, das Schließen des Fensters löst das Problem auch ohne Ohrstopfen.

Um 16:30 Uhr klopft ein Mitarbeiter an unsere Zimmertür, um mitzuteilen, dass der gebuchte Hide Nr. 7 nicht zur Verfügung steht, weil er gerade durch einen neuen ersetzt wird – eine halbe Stunde vor Beginn des Ansitzes! Das hätte man uns eigentlich auch schon bei unserer Ankunft drei Tage zuvor sagen können. Nr. 7 liegt in einem Waldstück und nach den Berichten anderer Benutzer von Hides in der Nähe wären die Chancen für Vielfraße gar nicht so schlecht gewesen. Nach den Erfahrungen der letzten drei Nächte lockt die Aussicht, einmal wieder normal zu schlafen und den nicht unerheblichen Betrag für die Hidebenutzung einzusparen. Der Mitarbeiter bietet uns fünf andere Hides an, die noch frei sind. Vier kommen vom Standort her für uns überhaupt nicht in Frage. Ein anderer Kunde, der das mitbekommen hat, hat in der Nacht zuvor in der Nähe des fünften gesessen und dort einen Bären und Vielfraße zumindest gesehen. Wir akzeptieren diesen, Hide Nr. „A“, ganz am Ende des Gebiets.
Zehn Minuten bevor es losgehen soll, verhindert ein heftiger Schauer für zwanzig Minuten den Abmarsch sämtlicher Hidenutzer, danach scheint wieder die Sonne. Kurz vor 17:30 Uhr richten wir uns in dem Hide ein. Nr. „A“ ist eine ältere Version, in dem man nicht aufrecht stehen kann, aber sehr geräumig mit insgesamt 8 Objektivöffnungen an drei Seiten, 4 Stühlen, 4 Betten und einem separaten Toilettenabteil mit dem „Standardeimer“. Die Innentemperatur beträgt 24 °C.
Braunbären
Junge Braunbären, Martinselkonen, „Swamp“

Der Hide ist der letzte von vieren, die sich im Halbkreis um eine offene Moorfläche von vielleicht 50 m Durchmesser gruppieren. Die beste Position hat dabei Hide Nr. 1, der mit Öffnungen an allen Seiten auch noch die nächste anschließende offene Fläche im Blick hat. Unser Hide ist nach Nordosten ausgerichtet, hinter ihm steigt das Gelände an und ist dicht bewaldet, ebenso wie auf der anderen Seite der offenen Fläche uns gegenüber. Die Seite nach Südwesten ist etwas offener, meist mit kniehohem Gebüsch bewachsen. Wir erkennen ca. 30 m schräg links vor uns einen Futterdeckel.
Um 19:00 Uhr kommt in ca. 30 m Entfernung ein Vielfraß aus dem dicht bewachsenen Waldrand, dreht einen für uns vorher nicht auszumachenden Futterdeckel und verschwindet mit dem kompletten Fleischbrocken sofort wieder. Das Ganze ging so schnell, dass man es nur hätte fotografieren können, wenn man wenigstens den ungefähren Standort vorher gekannt und sich entsprechend eingerichtet hätte.
Zwanzig Minuten später kommt ein Vielfraß, vielleicht dasselbe, von der Südwestseite, holt sich einen Futterbrocken in vielleicht 15 m Entfernung und verschwindet wieder. Wir werden erst durch die Rufe von Möwen und Nebelkrähen aufmerksam. Einen Bären hätte man fotografieren können, ein Vielfraß wird durch die Vegetation ohnehin fast vollständig verdeckt.
19.06.2019 Um 0:50 Uhr kommt ein Bär, der aussieht wie der helle vom Montag. Er läuft gezielt und zügig von einem Holzdeckel zum anderen. Bei den vom Vielfraß geleerten findet er nichts, bei einem dritten wird er fündig. Das Fleisch scheint er sofort zu verzehren. Das geht alles sehr schnell. Nach zwei bis drei Minuten verlässt er den Bereich. Zehn Minuten später erscheint ein zweiter Bär, etwas größer und ganz dunkelbraun. Er ist wesentlich entspannter und sucht auch nicht so zielgerichtet. Er verschwindet wieder, dabei umkreist er die Hütten und taucht nach zwanzig Minuten wieder auf. Diesmal ist er erfolgreich und findet damit den vierten Futterdeckel, der vor den Hütten platziert ist. Gegen 3:00 Uhr kommt er nochmal und findet den fünften. Er präsentiert sich auch auf einem Felsen, auf dem wohl auch ein Köder versteckt ist – ein nettes Motiv für Hide Nr. 1, für uns leider zu verdeckt. Das war‘s dann für diese Nacht.
Gegen 1:00 Uhr ergaben sich bei weitgehend klarem Himmel mit einigen wenigen Wolken Belichtungswerte von 1/60 sec bei Bl. 4 und ISO 3200. Wenn die Bären mal stehen blieben, waren die Fotos halbwegs scharf. Um 3:00 Uhr, ca. 40 Minuten nach Sonnenaufgang, auch wenn diese noch nicht das Areal beschien, ergaben sich immerhin schon 1/500 sec bei sonst gleichen Werten und damit auch wirklich scharfe Aufnahmen.
Auf dem Rückweg zur Unterkunft sehen wir wieder, dass mehrere neue Fotohütten gebaut bzw. alte ersetzt werden. Beim Auschecken frage ich den Rezeptionisten, warum so wenig Bären zu sehen waren. Er räumt ein, dass aktuell nur zwei, allenfalls drei Bären im Gebiet seien. Im Mai seien es acht gewesen. Er meint, dass die Bauarbeiten unmittelbar an der Unterkunft die Bären nicht stören würden. Diese hätten ohnehin erst vier Tage vor unserer Ankunft begonnen. Hinsichtlich der Erneuerungsarbeiten an den Hides ist seine Antwort da schon wesentlich zögerlicher, ob diese nicht doch einen negativen Einfluss auf Anzahl und Verhalten der Bären im Gebiet haben könnten.

Um 9:30 Uhr fahren wir zum 69 km nördlicher gelegenen Martinselkonen Wilds Centre, wo wir zwei Stunden später ankommen. Das Zimmer ist im Vergleich zu den bisherigen das modernste und geräumigste. Um 15:00 Uhr gibt es warmes Essen.
Um 16:00 Uhr werden die Gäste für „Forest“ und „Swamp“ mit zwei Minibussen zehn Minuten zu einer Art Wanderparkplatz an einem See ca. 8 km entfernt gefahren. Die gesamte Gruppe wandert mit zwei Begleitern, Janni, dem Chef von Martinselkonen und seinem Mitarbeiter Jarno einen schmalen Pfad entlang, auf dem auch schon mal frischer Bärenkot liegt. Nach ca. 1 km erreichen wird den „Swamp“. Der größere Teil wandert weiter zum „Forest“. Wir beziehen einen von fünf „Swamp“-Hides. Janni, weist uns und die anderen Nutzer jeweils ein, wozu auch eine Absprache hinsichtlich der Platzierung des Futters gehört. Dann verteilt er mindestens 30 kg Hundefutter-Pellets auf der Fläche vor uns. Die Entfernung zum gegenüberliegenden Waldrand beträgt ca. 60 m. Der Hide ist nach Südosten ausgerichtet und mit sechs Objektivöffnungen ausgestattet, davon zwei an den Seiten. Neben jeder befindet sich ein verglastes Fenster. Bei dieser Art der Konstruktion sind Kamerasucher und „Ausguck“ auf derselben Höhe – sehr angenehm. Im Innern befindet sich eine Liegefläche, die man auf die gesamte Breite erweitern kann, mit Matratze und Kopfkissen, ein Stuhl und eine Trockentoilette. Schlafsäcke sollten an sich auch vorhanden sein, leider stellen wir erst später fest, dass sie in unserem Hide fehlen. Es gibt es einen heftigen Schauer, aber gut zehn Minuten später scheint wieder die Sonne, ganz überwiegend auch für den Rest des Abends.
Bartkauz
Bartkauz, „Jarno's Wildlife Place“

Fünf Minuten nachdem Janni das Gelände verlassen hat, erscheinen die ersten Bären, drei Halbstarke, wahrscheinlich Geschwister. Ein Weibchen („Blondie“) – Janni hatte das schon angekündigt – ist sehr neugierig und versucht in unseren Hide über eine der seitlichen Objektivöffnungen hineinzuschauen, starkes Klopfen gegen die Wand klärt aber sofort die Situation.
Gegen 19:00 Uhr halten sich nur ein paar jüngere Bären am Waldrand auf. Aus unserem Nachbarhide kommt trotzdem jemand heraus und geht ein paar Meter seitlich nach hinten, um seine Notdurft zu verrichten. Die Bären protestieren lautstark und ziehen sich weiter in den Wald zurück. Unser Nachbar hat es nicht sehr eilig, wieder in den Hide zurückzukehren. An sich unverantwortlich, denn hinter uns befindet sich dichtere Vegetation, in der sich auch ein wesentlich selbstbewussterer Bär befinden könnte. Aber auch die jüngeren sind nach ein paar Minuten wieder zurück. Um 20:30 Uhr ist das Gelände weitestgehend beschattet. Bis dahin haben sich zwölf verschiedene Bären eingefunden und ungezwungen vor der Kamera agiert, darunter eine Bärin mit zwei anderthalbjährigen Jungen, ein großes Männchen und sonst überwiegend halberwachsene Tiere.
Um 21:20 Uhr kommen die drei Jungbären noch mal und graben die Erde direkt vor den Hides geradezu um. Auch in größerer Entfernung sehen wir noch weitere Tiere. Aber es ist nicht sinnvoll, den vielen Fotos bei gutem Licht noch solche bei schlechtem hinzuzufügen. Auch nach der Erfahrung meines Freundes aus dem letzten Jahr ist für diese Nacht nichts weiter zu erwarten. Es gibt hier so viele Bären, dass keine Wölfe herkommen und auch nur ganz ausnahmsweise ein Vielfraß. Wir erweitern also die Liegefläche und versuchen bis zum nächsten Morgen zu schlafen. Nachts sinkt die Temperatur im Hide auf 15 °C. Vorher ist Nachbar Nr. 2 um 22:00 Uhr auch noch herausgekommen. Er bleibt wenigstens unmittelbar am Hide stehen.
20.06.2019 Gegen 7:00 Uhr holt uns Jarno ab, der mit der Gruppe vom „Forest“ dort die ganze Nacht in zwei großen Hides verbracht hat.
Da wir von anderen Gästen erfahren haben, dass er ihnen gestern Bartkäuze und Sperbereulen gezeigt hat, fragen wir ihn danach. Zwei andere Fotografen haben auch Interesse und so fahren wir um 8:40 Uhr mit dem Mietwagen hinter Jarno her, der uns zu einem von ihm eingerichteten 30 km entfernten Brutplatz von Bartkäuzen bringt. Sie nisten in einem lichten Wald in einem abgebrochenen toten Baumstamm, der dort nicht gewachsen, sondern aufgestellt worden ist. Das Nest befindet sich sieben bis acht Meter über Grund, an einem etwas abschüssigen Hang. Jarno hat in ca. 30 m Entfernung drei Beobachtungszelte aufgestellt. Wegen des abschüssigen Geländes ist die Perspektive sehr gut, allerdings ist die Entfernung eigentlich zu groß. Im Nest sitzen zwei Junge kurz vor dem Ästlingsstadium. Ein Altvogel sitzt in einem Baum in der Nähe. Es ist sonnig und es herrscht Gegenlicht. Das Nest ist damit ebenso wie der Altvogel beschattet. Entsprechend schlecht sind die Lichtverhältnisse und es passiert auch nicht viel. Die Jungen schauen manchmal in unsere Richtung oder schlagen mal mit den Flügeln. Der Altvogel, der noch weiter entfernt sitzt, blinzelt ab und zu. Im weiteren Tagesverlauf würden sich mit änderndem Sonnenstand nicht nur die Lichtverhältnisse verbessern, es wäre auch zu erwarten, dass die Altvögel Beute an die Jungen verfüttern. Wir können jedoch ohnehin nicht bis zum Abend warten und beschließen mittags abzubrechen. Nach Verlassen des Zelts fotografieren wir noch ungedeckt aus einer etwas günstigeren Position den Altvogel, trotzdem hätten wir uns die Investition in Zeit und Geld besser erspart.

Um 16:30 Uhr geht es wieder zur Bärenbeobachtung, diesmal zum „Pond“. Das Wetter ist zunächst heiter, später bewölkt es sich und es regnet zwischendurch auch mal leicht. Nach einer knapp zehnminütigen Fahrt und einem Fußmarsch von ca. 600 m über einen Trampelpfad erreichen wir das ca. 300 m lange Gewässer, das lt. OpenMaps sogar einen Namen hat: „Isonsuonlampi“. An seinem östlichen Ende hat Martinselkonen direkt am Ufer vier Hides aufgestellt, vom gleichen Typ wie am „Swamp“. Das gegenüber liegende Ufer ist ca. 30 m entfernt, der Hide ist nach Süden ausgerichtet. Das Lockfutter wird entlang des Ufers verteilt.
Zunächst fällt auf, dass gar keine Möwen vor Ort sind, das ändert sich nach einer Stunde aber. Um 22:00 Uhr erscheint ein mittelgroßer Bär. Er patrouilliert entlang des Ufers und bedient sich an den ausliegenden Pellets. Besonders hungrig scheint er aber nicht zu sein und bleibt insgesamt zwanzig Minuten. Zum Abschluss trinkt er – schön mit Spiegelbild – im See. Während dieses Zeitraum sind die Belichtungswerte um knapp eine Blendenstufe gesunken, sie betragen 1/160 sec bei Bl. 4 und ISO 3200. Der Standort am See ist gut für Bären am Ufer mit Spiegelbild, aber für sonst eigentlich nichts. Am Vortag sind die Bären erst um Mitternacht gekommen. Wegen weiter sich verschlechternder Lichtverhältnisse beschließen wir dann gegen 23:00 Uhr uns zum Schlafen hinzulegen.
21.06.2019 Um 06:30 Uhr holt Janni uns wieder ab. Wie uns unsere Nachbarn berichten, sind um Mitternacht weitere sechs Bären erschienen und gegen Morgen ein weiterer.

Braunbären
Braunbär, Martinselkonen, „Pond“
Tagsüber heitert es auf, aber als wir um 16:00 Uhr zum „Forest“ fahren kommt ein Gewitter auf und es regnet heftig. Das verbessert sich nur leicht, als wir an dem Wanderparkplatz ankommen. Die Temperatur ist von 18 °C auf 15 °C gesunken. 22 Gäste und 2 Führer wandern – die Augen streng auf den Boden gerichtet – über einen sehr feuchten und teilweise überschwemmten Pfad durch den Wald. Am „Swamp“ bleiben 6 Personen zurück, der Rest geht ca. 500 m weiter zum „Forest“, den wir gegen 16:30 Uhr erreichen, und zwar zunächst den Hauptplatz mit zwei großen Hides für jeweils zehn Personen. Dort warten nach überschlägiger Zählung bereits 14 Bären auf die Fütterung. Zwölf Gäste bleiben dort, wir und zwei weitere gehen unter Führung von Jarno 150 m weiter zu einer Lichtung, an der 3 Hides stehen, zwei weitere gehen noch etwas weiter zu einem anderen Hide. Dabei gehen wir nur zwanzig Meter an einigen der wartenden Bären vorbei, wobei uns der Seniorchef von Martinselkonen mit seinem Quad mit Anhänger abdeckt, indem er einige Meter parallel zu uns fährt. Am Hauptplatz warten neben den Bären auch schon wieder Möwen, unserem Nebenplatz bleiben diese zum Glück fern.
Der Standard-Zwei-Personen-Hide ist nach Nordosten ausgerichtet, aber die Lichtrichtung ist erst mal gleichgültig, weil es weiter regnet, wenn auch nachlassend. Es ist nun auch im Hide recht feucht, die Temperatur beträgt noch 22 °C. Kurz nach Beziehen kommen auch schon die ersten Bären. Die Gesamtzahl ist schwer zu schätzen, aber immerhin kommt eine Bärin mit drei kleinen Jungen und drei Bärinnen mit jeweils zwei bzw. drei Jungen, die schon einmal mit ihrer Mutter überwintert haben. Es erscheinen auch noch zwei erwachsene Männchen und etliche jüngere Tiere. Die meisten Bären kommen noch während es regnet bzw. stark bewölkt ist, nach einer Stunde, als dann wieder die Sonne scheint, kommen auch noch welche. Gegen 19:00 Uhr ist die „Show“ weitgehend vorbei, danach erscheint nur noch ganz vereinzelt mal ein Bär, eigentlich nur zwei verschiedene, die wiederholt über die Lichtung streifen. Die etwas älteren Bären sind dabei bis auf ca. fünf Meter an den Hide herangekommen. Gegen 23:00 Uhr erscheint noch mal die Mutter mit den drei kleinen Jungen. Sonnenuntergang ist an diesem längsten Tag des Jahres hier erst nach Mitternacht um 0:08 Uhr. Auch wenn nur einzelne Wolken das Himmelslicht abschirmen, sind die Lichtverhältnisse wegen der umgebenden Bäume dann doch sehr mäßig.
22.06.2019 Sonnenaufgang ist um 1:50 Uhr. Nach einer ruhigen Nacht werden wir gegen 7:00 Uhr abgeholt. Die Wege sind kaum abgetrocknet und die Mücken höchst aktiv. Unterwegs sehen wir noch einen Rauhfußkauz. Um kurz nach 8:00 Uhr sind wir wieder bei Martinselkonen und fahren etwas später zum 171 km entfernten Flughafen von Kajaani. Den Mietwagen müssen wir noch vorher im Ort wieder volltanken. Überall scheint nur Kartenzahlung am Automaten möglich. Ein Vertreter von Hertz ist nicht vor Ort, sodass wir den Schlüssel am Schalter einwerfen müssen. Ansonsten ist aber alles sehr entspannt an diesem kleinen Flughafen. Der für 13:50 Uhr vorgesehene Abflug mit N°rra erfolgt überpünktlich, nachdem alle gebuchten Passagiere eingetroffen sind.